Der zerbrochene Krug

Über den Autor 

Heinrich von Kleist: deutscher Dramatiker, Erzähler, Lyriker und Publizist, wurde am 18. Oktober (nach Kleists eigenen Angaben am 10. Oktober) 1777 in Frankfurt a. d. Oder geboren; er starb am 21. November 1811 am Stolper Loch, heute Kleiner
Wannsee (Berlin).

Kleist stand als „Außenseiter im literarischen Leben seiner Zeit jenseits der etablierten Lager“ und der Literaturepochen der Weimarer Klassik und der Romantik. Bekannt ist er vor allem für das „historische Ritterschauspiel“
Das Käthchen von Heilbronn, seine Lustspiele Der zerbrochne Krug und Amphitryon, das Trauerspiel Penthesilea sowie für seine Novellen Michael Kohlhaas und Die Marquise von O. Kleist hat vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart zahlreiche Komponisten zu eigenen Schöpfungen angeregt. Gegenstand der musikalischen Auseinandersetzung waren dabei sowohl Kleists Werke als auch sein wechselvolles Leben. Zu den musikalischen Adaptionen zählen neben Bühnenmusiken und sinfonischen Dichtungen auch mehrere Opernkompositionen.

Über das Stück

Ausgangspunkt der Handlung ist ein zerbrochener, wertvoller Krug aus dem Besitz der Witwe Magdalena Rull. Die Scherben liegen im Zimmer ihrer Tochter Eva, wo Frau Rull am Vorabend den Bauernsohn Ruprecht Dimpfl ertappt hat. Ruprecht wiederum beobachtete einen Fremden, der durch das Fenster aus Evas Zimmer floh und dabei den Krug vom Kaminsims warf. Weder Magdalena noch Ruprecht ahnen, dass es sich bei diesem Fremden um Dorfrichter Adam handelt.

Der Krug selbst ist für Magdalena Rull zwar sehr wertvoll, aber ihr vorgeordnetes Ziel ist es, Evas Ruf vor Gericht zu retten. Sollte sich herausstellen, dass nicht nur Ruprecht sie am gestrigen Abend in ihrem Zimmer aufgesucht hat, würde Eva als Dirne gelten.

Im Lauf des Stückes versucht Adam, die Aufklärung des Falles möglichst unauffällig zu verhindern, zumal an diesem Tag der Gerichtsrat Waltersberg vom k. k. Landgericht zu Baden an wesend ist. Aber Adam ist als Richter gezwungen, die Zeugin Theresia Scheibl vorladen zu lassen. Diese schildert, dass sie eine Spur von Magdalenas Haus bis zur Hintertür des Gerichtshauses verfolgt und sogar die vermisste Perücke des Dorfrichters gefunden habe. Angesichts solch eindeutiger Indizien bleibt Adam nur noch die Flucht. Eva, die als einzige Anwesende außer Adam (und ahnungsweise Schreiber Liechtl) die Wahrheit kennt, erklärt zum Abschluss ihr Verhalten: Richter Adam habe, falls Eva ihm gefügig sei, dafür sorgen wollen, dass Ruprechts angeblich drohender Militär einsatz im aufständischen Italien verhindert werde.

Der zerbrochne Krug entstand 1803–1806. Seine Uraufführung fand am 2. März 1808 im Hoftheater in Weimar statt, inszeniert von Johann Wolfgang von Goethe.

H.C. Artmann schuf 1993 die Neufassung im Wiener Dialekt. Denn warum, so heißt es am Umschlag des im Residenzverlag erschienen Textes, muß der vermaledeite Krug immer im fernen Huisum zerbrechen? Und warum muß die folgende unglückselige Gerichtsverhandlung immer in einer Sprache abgewickelt werden, die uns – Hand aufs Herz! – doch schon ein wenig fremd anmutet? Wobei die dralle Komik nur allzuleicht im Bemühen um Verstehen untergeht. H. C.Artmann hat nun das turbulente Lustspiel um den zertrümmerten Krug (bei ihm ist’s ein kostbares Erbstück Budweiser Provenienz) und den Dorfrichter Adam kurzerhand ins Niederösterreichische verlegt und dazu eine Sprache erfunden – oder wiederentdeckt? – die aus dem etwas angestaubten Bühnenpersonal wieder leibhaftige Menschen macht, „echte wahre Menschen, so gut und treu und so herzlich einfältig, so falsch und bös, so schelmisch in naivem Egoismus, großartig alle in ihrer Kleinlichkeit“. (Willy Mantehy in seiner Einleitung in der „Goldenen Klassiker-Bibliothek“)

Die Dorfbewohner, die um Scherben, Liebe, Moral, um Eifersucht, Schuld und Unschuld rechten, erscheinen in dieser Neufassung als Zeitgenossen Nestroys – ausgestattet aber mit Artmannschem Sprach- und Wortwitz, der sowohl Kleistscher wie Nestroyscher Sarkastik schmunzelnd immer noch locker ein Schäuferl nachlegt.